Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht – sind Sie sich Ihres Denkens bewusst?

Es existiert ein Interesse an der generellen Rezession der Applikation relativ primitiver Methoden, komplementär zur Favorisierung adäquater komplexer Algorithmen. Oder kurz gesagt: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Diesen Effekt kennen Sie vielleicht noch vom Studium, in dem Professoren sich möglichst kompliziert ausdrückten, von der Bedienungsanleitung für die Mikrowelle oder dem Handbuch Ihres Autos.

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Neulich passierte das auch einem meiner Kunden, einem CTO, der mit einem Ticket-System für Klarheit und Struktur sorgen wollte, doch stattdessen für Verwirrung sorgte. Er wollte ein komplexes Ticket-System implementieren, das von der Strategie über Ziele bis hin zu Projekten alles abbildete. Doch trotz seiner Bemühungen stieß er auf Widerstand seitens der Mitarbeitenden. Was lief schief?

 

Ein gut gemeintes System mit Tücken

Der CTO hatte mit guten Absichten das Ticket-System mit viel Sorgfalt konfiguriert und seine Zeit und Energie investiert. Es war so gestaltet, dass es Meilensteine sichtbar machte und eine klare Übersicht über alle Projekte bot. Auf den ersten Blick schien es perfekt – zumindest aus seiner Sicht. Doch immer wieder beschwerten sich die Mitarbeitenden darüber, dass das System zu kompliziert sei und sie Schwierigkeiten hatten, es korrekt zu nutzen.

Der CTO war frustriert. Er hatte seinen Mitarbeitenden mehrfach erklärt, wie das System funktioniert und warum es wichtig sei, es richtig zu verwenden. Auf meine Empfehlung, wie wir es anders gestalten könnten, äußerte er sich voller Überzeugung wie folgt: „Christian, dein Vorschlag ist gut, aber wir brauchen das nicht, es ist alles im Ticket-System.“ Aus meiner Perspektive jedoch war das System übermäßig komplex konfiguriert. Einzelne Projekte waren miteinander verbunden und es gab zahlreiche Unterstrukturen, die die Mitarbeitenden unmöglich alle verstehen konnten.

 

Die Kluft zwischen Verständnis und Kommunikation

Der Kern des Problems dieses Falles war: Nur weil etwas in unserer eigenen Denkweise Sinn ergibt, bedeutet das nicht automatisch, dass andere es genauso verstehen. Unser Gehirn neigt dazu, unsere eigene Logik als universell gültig anzusehen und erwartet, dass unser Umfeld es ebenso sieht. Doch diese Annahme ist trügerisch.

Überspitzt gesagt ist für einen IT-Experten vieles absolut logisch, was für unsere 80-jährige Großmutter absolut nicht nachvollziehbar ist. Dafür „scheitert“ der Experte am Apfelkuchenrezept, das für unsere Großmutter wiederum keine Fragen offenlässt.

Viele Menschen gehen unbewusst davon aus, dass ihre Art zu denken auch für andere nachvollziehbar ist. Wenn wir jedoch möchten, dass andere mit uns an einem Strang ziehen und unsere Ideen unterstützen, müssen wir bereit sein, ihre Perspektiven kennenzulernen und zu verstehen.

 

Die Gedankenwelt der anderer verstehen

Um herauszufinden, warum die Mitarbeitenden das Ticket-System nicht wie gewünscht nutzten, wäre es sinnvoll gewesen, gezielte Fragen zu stellen: „Was hindert dich daran, das Tool zu nutzen?“ oder „Auf einer Skala von 1 bis 10, wie leicht findest du Info xyz?“ Solche Fragen helfen dabei, die Gedankenwelt der anderen besser zu verstehen.

Vielleicht sehen die Mitarbeitenden keinen klaren Nutzen im System oder finden bestimmte Informationen schwer zugänglich. Indem man diese Aspekte anspricht und ernst nimmt, ist der erste Schritt für einen Weg zu einer gemeinsamen Lösung unternommen.

Wir sollten also nicht automatisch davon ausgehen, dass unsere Gedankenwelt die einzig Richtige ist oder dass alle anderen im Unternehmen ebenfalls so denken. Je nach Persönlichkeit, Erfahrung und Wissensschatz haben die Mitarbeitenden unterschiedliche Perspektiven zu einem Thema, die sich eine Führungskraft anhören sollte.

 

Der Wert des aktiven Zuhörens

Aktives Zuhören ist dazu eine Kernkompetenz in jeder zwischenmenschlichen Interaktion – sei es im beruflichen oder privaten Kontext. Dies erfordert jedoch echte Empathie und wahres Interesse an einem Gesprächspartner. In Dialogen neigen wir dazu, zu voreilig zu sein. Während das Gegenüber spricht, haben wir gedanklich schon eine Antwort parat, Ratschläge oder Verbesserungen formuliert, einen Themenwechsel vorbereitet oder Ähnliches. Dabei vergessen wir, wirklich zuzuhören und die Perspektive des anderen zu verstehen.

Wenn wir aktives Zuhören trainieren, vermeiden wir Missverständnisse und es ermöglicht uns auch zu erkennen, ob unsere Botschaften tatsächlich so ankommen wie beabsichtigt oder ob Anpassungen notwendig sind.

 

Eine Kultur des offenen Dialogs fördern

Um solche Herausforderungen zukünftig besser zu meistern, ist es wichtig, dass Unternehmen eine Kultur des offenen Dialogs fördern. Führungskräfte sollten regelmäßig Feedback einholen und sicherstellen, dass alle Stimmen gehört werden.

Workshops oder regelmäßige Team-Meetings helfen dabei herauszufinden, welche Tools wirklich nützlich sind und wo Verbesserungsbedarf besteht. Dabei sollte stets betont werden, dass Kritik willkommen ist, solange sie konstruktiv bleibt.

 

Gemeinsam zum Erfolg

Vielen Führungskräften geht es wie dem genannten CTO. Sie handeln nach ihrer Denkweise – oft mit den besten Absichten –, ohne sich jedoch kritisch zu hinterfragen. Insbesondere dann, wenn wir andere überzeugen wollen, unseren Weg mitzugehen, müssen wir auch ihre Perspektiven kennen.

Wenn Sie sich Ihres Denkens bewusster werden wollen und ihr Team in Veränderungen mitnehmen möchten, sollten wir sprechen – gerne persönlich oder über LinkedIn.