Perfektionismus – der Chancen-Killer in Unternehmen

Glauben Sie, dass Erfindungen wie beispielsweise das Auto noch verbessert werden können? „Natürlich“ werden Sie jetzt antworten, denn es gibt immer neue und bessere Wege. Doch was wäre gewesen, wenn der Erfinder alles bis ins kleinste Detail hätte perfektionieren wollen? Würde er heute noch leben, wäre er wahrscheinlich noch immer nicht fertig. Genau das machen allerdings viele Unternehmen und killen mit ihrem Perfektionismus viele Chancen.

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Vielleicht kennen Sie folgendes auch aus Ihrem Unternehmen: Nichts wird fertig, weil immer noch eine Komponente nicht perfekt ist, man verliert sich in Details und der Fokus aufs Wesentliche geht verloren. Es wird immer und immer darüber diskutiert, was noch perfektioniert werden kann, ohne zu einer Entscheidung zu kommen. Man versucht alle Eventualitäten zu berücksichtigen, was in einer Zeit, in der sich von heute auf morgen alles ändern kann, unmöglich ist.

Wann Perfektionismus Sinn macht und wann nicht

Selbstverständlich gibt es Branchen, in denen perfekt gearbeitet werden muss. Für einen Chirurgen oder Raumfahrt-Ingenieur ist Perfektionismus angebracht – doch wie sieht es in anderen Branchen aus, in denen keine Menschenleben von einer perfekten Arbeit abhängen? Auf Produkt- und Dienstleistungsebene reicht für den ersten Marktstart das Minimum Viable Product (MVP). Diese Startversion erfüllt die elementarsten Funktionen und reicht aus, um den „Schmerz“ Ihrer Kunden zu lindern. Es ist allerdings noch lange nicht perfekt oder allumfassend, und das muss es auch nicht sein. Die Unternehmen haben die Chance, direkt aus dem User-Feedback zu lernen und das Produkt oder die Dienstleistung in der weiteren Entwicklung noch besser an die Kundenbedürfnisse anzupassen. Das MVP bringt gleich zwei große Vorteile mit sich: Erstens können Sie so schneller auf den Markt kommen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist auch Ihren Mitbewerbern nicht entgangen, was sich die Kunden wünschen. Wenn Sie nun viel Zeit und Energie in ein Produkt stecken und erst Monate später damit auf den Markt kommen, hat Sie die Konkurrenz bereits überholt oder hat das Produkt in der zweiten oder dritten Version bereits verbessert. Der zweite Vorteil ist, dass Sie sich direkt das Feedback der Kunden einholen können und so die Funktionalitäten auf die tatsächlichen Bedürfnisse anpassen können. Diese werden dann meist auch besser akzeptiert. 

Die Last mit dem Lastenheft

Der klassische Ansatz des Pflichten- und Lastenhefts nimmt mitunter zahlreiche Stunden, Wochen oder gar Monate in Anspruch, um alle Funktionalitäten auf Papier zu beschreiben. Dazu kommen lange Verhandlungen zwischen Auftraggebern und -nehmern, die wiederrum Zeit und Geld für die Erstellung der entsprechenden Dokumente fressen. Erst danach wird überhaupt entwickelt. Da mittlerweile allerdings so viel Zeit ins Land gegangen ist, fällt das Feedback meist schlecht aus, denn die Anforderungen des Endkunden haben sich zwischenzeitlich schon wieder verändert – und auch die Konkurrenz ist meilenweit voraus und hat auf diesem Weg den ein oder anderen Ihrer Kunden mitgenommen. Wenn Sie das nicht wollen, dann gilt es, den Perfektionismus abzulegen und ins Machen zu kommen.

Aufwand und Nutzen – das Pareto-Prinzip

Ein weiterer Aspekt, der gegen die Perfektion bis ins kleinste Detail spricht, ist, dass der Aufwand im Vergleich zum Outcome viel zu hoch wäre. Stellt man einmal Arbeitsstunden, eventuell sogar das Hinzuziehen von teuren externen Spezialisten, Materialkosten, Marktforschungen usw. dem Outcome gegenüber, dann ist meist klar, dass die Rechnung nicht immer ganz aufgeht. Deshalb lohnt sich das Arbeiten nach dem Pareto-Prinzip. Dieses besagt, dass 80% der Ergebnisse mit 20% des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20% der Ergebnisse erfordern 80% des Aufwandes und nehmen damit quantitativ die meiste Zeit in Anspruch. Der Erfolg ist dadurch allerdings nicht unbedingt höher.

Nicht alles „totdenken“, sondern starten

Die kontinuierliche Verbesserung innerhalb der Organisation – sei es von Mitarbeitenden, Produkten oder Dienstleistungen – ist wichtig, aber leider vielerorts zu einer hohlen Phrase verkommen. Es wird darüber gesprochen, aber nichts dafür getan. Ich meine damit nicht, dass Mitarbeitende ständig Weiterbildungen erhalten, denn das ist wieder einmal ein Bekämpfen der Symptome, aber nicht der Ursache. Wer sich ernstgemeint verbessern will, muss an einem anderen Punkt ansetzen: Es gilt, eine konstruktive Fehlerkultur zu schaffen und sich in der Führung darüber bewusst zu werden, dass nicht alles „totgedacht“ werden muss. Es muss gelernt werden, mit Fragezeichen zu leben, denn nicht auf alles ist immer sofort eine Antwort zu finden. Vielmehr geht es darum, einfach mal zu starten, ins Handeln zu kommen. Wer es versteht zu experimentieren – nicht im großem, sondern „save enough to try“ – wird schnell lernen, was funktioniert und was nicht.

Resilient gegenüber Veränderungen

Jeder, der versteht, dass die Haltung des Perfektionismus einer Haltung des Ausprobierens weichen muss und dies in den Arbeitsalltag integriert, wird schnell vom Markt lernen und sich intern anpassen können. Veränderungsbereitschaft ist wie ein Muskel, den Organisationen trainieren müssen. Ist dieser stark, werden die Mitarbeiter nach dem Motto „Inspect & Adapt“ vorgehen und sind resilienter gegenüber Veränderungen. Die Organisation und die Führung müssen sich dann auch nicht mehr mit dem Thema „Unsere Mitarbeitenden sollen lernen, sich anzupassen“ beschäftigen, denn das ist fest in der DNA verankert.

Für Sie ist es an dieser Stelle wichtig zu hinterfragen, ob denn genug Veränderungsbereitschaft in der DNA Ihres Unternehmens steckt. Wie gut können Sie mit Fragezeichen umgehen? Ein „machen wir doch eh schon“ birgt meist noch viel Verbesserungspotenzial, das ich gerne mit Ihnen heben möchte. Lassen Sie uns dazu telefonieren oder vernetzen Sie sich auf LinkedIn mit mir.