Im Tagesgeschäft geht die Orientierung verloren – wie kommen wir wieder auf Kurs?
Gehen Sie einmal gedanklich mit mir auf die Reise an den Fuß eines Berges. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass wir jeden Tag aufs Neue damit starten, diesen Berg zu besteigen. Ihre Aufgabe besteht darin, wenngleich vielleicht von anderen Seiten, nach oben zu klettern. Willkommen im Tagesgeschäft. Denn oftmals sieht es hier genauso aus. Jeden Tag wird abgearbeitet. Doch es kommen auch Punkte, an denen Sie nur die Hälfte des Berges schaffen und dann nicht mehr hinterherkommen. Und es kommt auch vor, dass plötzlich jeder Wegpunkt der wichtigste zu sein scheint, sie aber nicht an allen gleichzeitig sein können. Zeit, um einen anderen Berg zu besteigen oder gar in der Landschaft zu wandern, bleibt ebenfalls nicht mehr.
Selbstverständlich kann nicht jeder Tag spannende Herausforderungen, große Innovationen oder Ideen mit sich bringen. Allerdings kümmern sich viele Unternehmen ausschließlich darum, was im Tagesgeschäft getan werden muss. Ich erlebe häufig, dass es in den Teams viel zu viel Arbeit gibt und die Mitarbeitenden durch diesen Druck in den „Abarbeiten-Modus“ schalten. Hinzu kommen noch die Aufgaben, die auf Zuruf erfolgen. Eigentlich ist der Tag schon geplant und dann kommt die Führungskraft mit etwas, was natürlich sofort erledigt werden muss. Doch eigentlich sind alle Arbeiten dringend und wichtig. Die Prioritäten sind unklar und jeder Mitarbeitende versucht für sich, sein Pensum zu schaffen. Zeit für Kreativität, Ideen und Austausch bleibt so gut wie keine mehr. Gerade die Mitarbeitenden und Teams, die remote arbeiten, ertappen sich manchmal dabei, tagelang nicht mit den Kollegen gesprochen zu haben.
Prioritäten ordnen, fokussieren und organisieren
Um im Tagesgeschäft wieder auf Kurs zu kommen, ist ein geordneter Eingangskanal hilfreich. Häufig wird in diesem Zusammenhang ein sogenanntes Backlog genutzt: Eine priorisierte Liste von Anforderungen. Auch das Arbeiten mit Serviceklassen, vergleichbar mit Flugtickets, hat sich bewährt. Das System dahinter ist, dass es unterschiedliche Preisklassen gibt. Personen mit einer höheren erhalten zuerst das Boarding und bekommen einen anderen Service. Jedes Team kann die Serviceklassen für sich definieren und festlegen, was das bedeutet. Meine Erfahrung zeigt, dass in Verbindung damit das Arbeiten mit einer „Fastlane“ sinnvoll ist. Hier stehen alle Aufgaben, die sofort erledigt werden müssen, da sie unmittelbar wirtschaftliche Auswirkungen haben, z. B. wenn das Bezahlsystem im Onlineshop gerade nicht erreichbar ist. Echte Deadlines haben hier ihren Platz in der Kategorie „Fester Liefertermin“. Beispielsweise, wenn etwas aufgrund einer Gesetzeslage bis zu einem bestimmten Datum geändert werden muss. In der Serviceklasse „Standard“, in der sich hoffentlich die meiste Arbeit findet, wird von oben nach unten abgearbeitet. Ebenfalls wichtig ist es, sich im Tagesgeschäft zu fokussieren. Das gelingt über Limits im WIP (Work in Progress). Dieser besagt, wie viele Aufgaben sich gleichzeitig in einem Arbeitsschritt befinden dürfen. Jeder kann sich so wieder auf seine Arbeit konzentrieren und wird nicht überfordert bzw. durch Kontextwechsel abgelenkt. Um sich noch besser zu organisieren, empfiehlt sich auch ein morgendliches Stand-up-Meeting von maximal 15 Minuten. Hier kann sich das Team besprechen, den Tag organisieren und eventuelle Herausforderungen und Hindernisse schildern.
Motivation im Tagesgeschäft
Oftmals ist das Tagesgeschäft reine Routine – und damit auch ein Stück weit „langweilig“. Die Motivation und Leidenschaft gehen schnell verloren, wenn jeden Tag die gleichen Aufgaben warten. Um dem entgegenzuwirken ist es wichtig, dass das Team eine gemeinsame Vision hat, die es motiviert. Auch die Frage nach der Mission des Teams ist essenziell, um Motivation zu schaffen. Was zeichnet dieses Team aus? Warum ist es da? Was unterscheidet es von anderen? Die Mission ist der Grund, warum wir jeden Tag auf den Berg steigen. Im besten Fall erarbeitet jedes Team für sich eine Mission – dies gelingt besonders gut mithilfe eines Coachs. Nicht zuletzt hilft es den Teams im Tagesgeschäft, sich motivierende Vorhaben zu setzen, die ambitioniert sind und über die normalen Anforderungen des Tagesgeschäfts hinaus gehen. Z. B. anstatt einfach nur für die IT-Infrastruktur zuständig zu sein, kann das Ziel sein: „Mit uns wollen wir eine Erreichbarkeit der Systeme von 99,X % Prozent im Jahr erreichen.“ Diese Art der Ziele sollte nicht von „oben“ kommen, sondern eigenständig vom Team entwickelt werden.
Das Umfeld und die Stakeholder kennen
Verbesserungspotenzial im Tagesgeschäft liegt auch darin, das Umfeld und die Stakeholder besser kennenzulernen. Fragen, die hierbei hilfreich sind: Wer sind die Anforderer? Und sind diese auch immer die Kunden? Wie zufrieden sind die Kunden? Was können wir für sie besser machen? Um Themen wie Zufriedenheit in den Bereichen Qualität, Liefertreue und Umsetzung zu beleuchten, ist es wichtig, auch an der Kommunikation zu arbeiten. Wie die Beziehung und Kommunikation zu den Kunden sind, lässt sich gut gemeinsam im Team erarbeiteten und in einer Stakeholdermap festhalten. Das schärft das Bewusstsein gegenüber den Kunden und hilft dabei, in Gesprächen ein gemeinsames Verständnis des Umfelds und dessen Bedürfnissen zu schaffen. Jeder im Team hat dadurch die Möglichkeit, sich mehr mit dem Umfeld zu identifizieren und sich einzubringen.
Tagesgeschäft neu gedacht
Um das Tagesgeschäft zu verringern und motivierender zu gestalten, lohnt es sich, kleine Experimente durchzuführen. Eventuell lassen sich in einigen Punkten auch Kunden oder andere Menschen im Unternehmen befähigen, dies selbst zu tun, um so mehr Zeit zu gewinnen, die wiederrum in Innovationskraft fließen kann. Das agile Prinzip: „Es ist essenziell, die Menge an nicht getaner Arbeit zu maximieren“ ist ebenfalls nicht zu vergessen. Hier liegt viel Potenzial versteckt, darüber nachzudenken, was wirklich getan werden muss.
Haben auch Sie vielleicht im Tagesgeschäft die Orientierung verloren? Dann lassen Sie uns gemeinsam einen Blick darauf werfen und den Kurs wieder ausrichten. Lassen Sie uns dazu telefonieren oder vernetzen Sie sich auf LinkedIn mit mir.