Aus Wertschätzung einen neuen Titel vergeben – achten Sie auf die Nebenwirkungen

Ikea suchte nach einem Chief of Sleep, hinter dem Vision Clearance Engineer verbirgt sich der Fensterputzer und die Empfangssekretärin schmückt sich mit dem Titel „Welcome Manager“. Neben diesen zugegeben sehr überzogenen Titeln gibt es auch solche, die mit Bedacht verliehen werden – doch auch diese haben gewisse Nebenwirkungen.

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Wird einem Mitarbeitenden ein neuer Titel verliehen, gehen damit oftmals mehr Verantwortung und eine höhere Bezahlung einher. Sie sind zudem ein Ausdruck der Wertschätzung und dienen dazu, den Mitarbeitenden zu loben. Die Möglichkeiten sind allerdings eingeschränkt, denn genauso wenig, wie jeder Kanzler oder Kanzlerin werden kann, ist auch irgendwann das Ende der Titelfahnenstange erreicht. Eine mögliche Konsequenz für Fachkräfte, deren Wege nach oben mit Titeln gepflastert sind, wird sein, dass sie die Organisation wechseln, wenn sie das Ende erreicht haben.

Das Henne-Ei-Problem der Titel

In Deutschland wird Titeln nach wie vor sehr viel Beachtung geschenkt. Wer mit einem Manager, Senior oder Head of auf der Visitenkarte glänzt, hat es bei Bewerbungen oftmals leichter. Der neue Arbeitgeber nimmt diese als Indikator für bisherige Stellungen, obwohl Titel allein nichts über Leistung oder Engagement aussagen. Kritisch wird es innerhalb der eigenen Organisationen, wenn durch einen neuen Titel indirekt die Verantwortung der Teams limitiert wird. Starke, agile Teams, die auf gleichwertiger Ebene arbeiten, haben gelernt, von Anfang bis zum Ende Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn einmal jemand abwesend ist oder ausfällt, sind sie weiterhin leistungsstark. Erhält jetzt ein Mitarbeitender einen neuen Titel, kann dies eine Ursache für die Entwicklung einer negativen Haltung sein. „Warum sollte ich mich darum kümmern?“, „Das ist nicht meine Aufgabe.“, „Dafür werde ich nicht bezahlt.“ sind nur einige Aussagen, die plötzlich auftreten. Hat sich diese Haltung einmal breitgemacht, ist es schwer, das Mindset wieder zu ändern und die Spirale der Demotivation dreht sich weiter nach unten.

Nebenwirkungen von Titeln in der Praxis

Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung zeigt, wie sich die Vergabe eines Titels negativ in der Praxis auswirkte. Als Wertschätzung für die Leistung und aus bestem Antrieb heraus, erhielt ein Mitarbeitender innerhalb eines Teams den Titel DevLead. Die anderen Developer haben sich daraufhin der Verantwortung für das Deployment entzogen, denn schließlich war das ja die Aufgabe des DevLead. Die Nebenwirkung der Titelvergabe zeigte sich in der klaren Abgrenzung von Verantwortungen. Eine Folge davon war, dass wenn der LeadDev nicht anwesend war, auch nicht deplyt werden konnte. Darüber hinaus hatten die anderen Teammitglieder auch keine Motivation darin gesehen, sich für diesen Bereich verantwortlich zu zeigen.

Innovative Wege wählen

Mit Titeln um sich zu werfen, ist keine effektive Methode, damit Mitarbeitende mehr Verantwortung übernehmen oder im Team Erfolge erzielen. Gehen Sie also sparsam mit Titeln und deren Verantwortung wie Bezahlung um. Machen Sie sich die möglichen Konsequenzen bewusst und gehen Sie mit den Teams ins Gespräch, bevor ein Titel vergeben wird. Sprechen Sie offen über dessen Bedeutung und nehmen Sie wahr, welche Befürchtungen deswegen im Team auftreten. Es gibt auch andere, innovative Wege: Bezahlen Sie Ihren Mitarbeitenden für gute Leistungen mehr, loben Sie das gesamte Team und nicht nur Einzelne. Erfolgreiche Teams zeichnen sich durch kollaborative Verantwortung aus und nicht dadurch, dass wenige einzelne glänzen. Schränken Sie darüber hinaus die Verantwortung nicht durch die Vergabe diverser Titel ein. Das Übernehmen von Verantwortung ist ein Motivationsantrieb – einzelne Mitglieder lernen neue Fähigkeiten aufzubauen, ihr Tätigkeitsfeld zu erweitern. Das wiederrum macht den Arbeitsplatz attraktiver und hält Fachkräfte in Ihrer Organisation. Ich persönlich habe gute Erfragungen damit gemacht, die Verantwortung für bestimmte wiederkehrende Aufgaben und deren Durchführung, innerhalb des Teams zu wechseln. Jedes Mitglied, das Lust darauf hatte, konnte sich der Tätigkeit annehmen – das sorgte für mehr Motivation, da die eigenen Kompetenzen ausgebaut und neues Wissen generiert wurde. Auch das Team als Ganzes profitierte von der gestärkten Handlungsfähigkeit der einzelnen Mitglieder.

Spielen Sie einmal gedanklich durch, was in Ihrer Organisation anders wäre, wenn Sie nicht über Titel, sondern auf anderen Wegen Wertschätzung, Lob und Belohnungen ausdrücken. Wie könnte ein erstes Experiment dazu aussehen? Sehr gerne spinne ich diese Gedanken mit Ihnen weiter und zeige auf, wie Sie Ihre Teams noch leistungsfähiger, verantwortungsbewusster und motivierter machen. Lassen Sie uns gerne zu diesem Thema sprechen.